Achtundvierzig

Ich bin heute so alt wie die Hausnummer des Hauses meiner Kindheit.
Ich weiß nicht, welche Möbel dort heute stehen.
Ich weiß nicht, was an der Wand hängt.
Aber ich weiß genau, wie zu welcher Jahreszeit die Sonne Licht und Schatten durch die Fenster wirft.
Und ich weiß genau, welche Muster dabei an den Wänden entstehen.

Das Haus meiner Kindheit ist seit einem Vierteljahrhundert verkauft, und ich habe es seitdem nicht mehr betreten.
In meiner Erinnerung kann ich noch durch alle Räume gehen, wache nachts hier und da auf,
kann das Schlafzimmer meiner Eltern betreten und verlassen,
höre die Geräusche aus der Küche, wenn ich in der Badewanne liege.

Ich kenne den Klang des Treppengeländers, den Geruch des Kellers,
weiß genau, wie das Auto des Milchmanns in jedem Raum klingt –
aber auch hinter dem Haus, davor und daneben.
Ich weiß genau, welchen Zipfel des Hauses man von wo genau sieht, wenn man durch den Wald geht.

Alles das ist mir noch immer sehr vertraut,
und ich kann es fast jederzeit in meinem Kopf abrufen, wenn ich will.

Die Leute, die heute dort wohnen, die mich nicht erkennen würden und mit denen ich nichts zu tun habe,
wissen nichts von damals – ich weiß nichts von heute.
Es mögen andere Menschen nach mir dort ihre Kindheit verbracht haben und heute erwachsen sein.

Sie haben aber niemals beim Einschlafen gehört,
wie meine Eltern mit Freunden im Wohnzimmer den Abend verbringen,
wie meine Mutter in der Küche telefoniert oder was sie beim Fensterputzen singt,
wie mein Vater mit Freunden zur Gitarre und zur Mandola singt.

Die kleinen, regelmäßigen Klänge:
Schiebetüren, Schritte, Reden,
die Gerüche, Räume, Böden und Wände,
Essen, Seifen, Pflanzen –
vielleicht heute alles anders,
aber gespeichert in meiner Erinnerung.

Der Lichtfall in den Räumen muss heute noch derselbe sein.
Dieselbe Sonne scheint heute wie damals,
und nachts derselbe Mond und dieselben Sterne.

Bilderburlaub

Guten Morgen! Das erste Mal seit 16 Jahren ein Flugzeug benutzen. Zum ersten Mal auf Mallorca Urlaub machen. Die erste Nacht. Und seit Jahren mal einen Urlaub, bei dem man offensichtlich die Bilder machen kann, die andere auch bei ihren Urlauben machen. Ein Haus mit Pool. Sonne am balearischen Himmel mit schicken Fotowolken.

Eine schöne, ruhige Gegend haben wir hier. So hätte ich mir Mallorca gar nicht vorgestellt. Wir sind im Oktober hier. Herbstferien in NRW. Wir sehen und hören kaum Menschen. Lidl und Aldi gibt’s hier. Fliegste in den Süden, gibt’s da Aldi Nord!

Als gestern die Beleuchtung vom Pool anging, verirrte sich eine Gottesanbeterin ins Wasser und paddelte um ihr Leben. Nach einer Weile habe ich dann den Sonnenschirm aus seinem Ständer genommen und das dem Namen nach religiöse Insekt darauf aus dem Wasser klettern lassen und hinter dem Zaun der Nachbarn in die trockene Nacht entlassen. Vielleicht erzählt sie ihren Freunden von dieser spektakulären Rettungsaktion – bevor sie ihnen dann den Kopf abfrisst.

Gottesanbeterin im nächtlichen Pool

Unser Podcast: Die Brieföffner

Zusammen mit Walter Orschenbach aus Schredenwinkel bin ich nun in einem Podcast zu hören: Wir sind die Brieföffner und öffnen Briefe. Und ichbinlauter als Herr Orschenbach, vor allem in unserer ersten Folge, da dieser sich noch etwas von seinem Mikrofon glaubte distanzieren zu müssen.

Der Podcast ist hier erreichbar: diebriefoeffner.de und in jedem Podcatcher mit diesem RSS-Feed zu abonnieren – auch bei Youtube.

Die Idee: Herr Orschenbach hat Briefe käuflich erworben, die teilweise seit mehr als hundert Jahre verschlossen sind. Warum es solche Briefe gibt und warum Menschen die verkaufen – das wissen wir nicht so richtig. Uuuund: warum Menschen solche Briefe kaufen … das müssen Sie Herrn Orschenbach fragen. Vermutlich ist der Grund unser Podcast. 😉 Tja, und wir treffen uns dann im Podcast und öffnen diese Briefe – in jeder Folge einen. Wir wissen also eigentlich nicht, worum es inhaltlich geht, da wir vor dem Öffnen nicht wissen, was uns im jeweiligen Brief erwartet.

Mal schauen, was daraus wird und wie lange wir Briefe öffnen werden.